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Bericht über die IASA-Jahrestagung 2004

05. bis 06. November 2004 in Bonn

Programm

Die Jahrestagung 2004 der IASA-Ländergruppe Deutschland/Deutschschweiz e. V. erlebte mit nahezu 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen genauso starken Zuspruch wie die Potsdamer Veranstaltung im Jahr zuvor. Im großzügigen „Schürmannbau″ der Deutschen Welle in Bonn war dank minutiöser Vorbereitungen durch das örtliche Organisationskomitee unter der erfahrenen Führung des umtriebigen Harald Schütz alles aufs Beste bereitet, und kein Tagungsteilnehmer dürfte sein Kommen bereut haben. Der Geschäftsleitung der Deutschen Welle und unserem Kollegen Felix Kresing-Wulf, dem Leiter der Abteilung Dokumentation und Archive der Deutschen Welle, mit seinem gesamten Team gebührt der Dank für eine rundum gelungene Tagung.

Ein besonderes Dankeschön geht an Heribert Wüstenberg und das RadioMuseum Köln e. V. für die wunderbare Ausstellung im Foyer der Deutschen Welle, die neben einer großen Zahl bemerkenswerter Exponate wie dem Heinzelmann von Grundig, dem Holiday-Luxus von Tefi oder der Ponti Zauberdose eine Fülle an Wissenswertem, Unterhaltsamem und jede Menge Gesprächsstoff bot. Ebenfalls ein großer Dank gehört den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sende- und Produktionsbetriebs der DW mit Heinz-Peter Friedrich für die Ausstellung zum Projekt „Digitale Kurzwelle (DRM)″, mit der eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurde, welch enormen Fortschritt in der Sendequalität diese maßgeblich von der Deutschen Welle mitgetragene Neuentwicklung darstellt.

In seinem Grußwort zur Tagungseröffnung betonte Joachim Lenz, Programmdirektor der Deutschen Welle, dass man stolz auf den eigenen, an der Spitze der Entwicklung des Fachgebiets stehenden ABD-Bereich sei, der „uns sehr lieb (ist), aber auch sehr teuer″. Lenz gab einen Überblick über Rahmenbedingungen und Programmaktivitäten der DW und die technische Neuentwicklung der digitalen Kurzwelle „DRM″. Mit der Hoffnung auf deren Durchsetzung als weltweiter Standard mit deutlich verbesserter Empfangsqualität verband Lenz den Hinweis auf die Bedeutung der Deutschen Welle als Auslandsrundfunkanstalt der Bundesrepublik Deutschland und damit die besondere Rolle als Informationslieferant für Gebiete, in denen – etwa wegen fehlender Informationsfreiheit – auf anderem Wege keine unabhängige Information zugänglich ist.

Dr. Michael Crone, Vorsitzender der IASA-Ländergruppe, zeigte sich erfreut über den starken Zuspruch zu dieser Tagung und erkannte in der Deutschen Welle einen Ort, „wo tatsächlich noch Optimismus herrscht″ und der sich von einer ehemals ais „Badewanne″ verspotteten Baustelle in ein architektonisches Schmuckstück verwandelt habe. Crones besonderer Gruß richtete sich an die anwesenden Vertreter des Vorstands der deutschen Gruppe der AIBM, die Präsidentin Susanne Hein und den Sekretär Thomas Kalk, die damit auch ihre Verbundenheit mit der Arbeit der IASA-Ländergruppe zum Ausdruck brachten.

Der Präsident der internationalen IASA, Kurt Deggeller, freute sich ebenfalls über ein „volles Haus″ und bescheinigte der Ländergruppe „Modellcharakter″ für die Aktivitäten in der gesamten IASA. Als sein besonderes Anliegen nannte er die Stärkung des allgemeinen Bewusstseins für die Bedeutung von audiovisuellen Dokumenten und sprach sich für eine noch deutlichere Einbeziehung von Bibliotheken und Museen aus.

Der weitere Freitagvormittag sah als Schwerpunkt eine Reihe von Präsentationen unserer Gastgeber.
Felix Kresing-Wulf gab in seinem Eröffnungsvortrag „Die Integration des digitalen Audioarchivs in den Produktions-Workflow im Hörfunk″ zunächst einen historischen Abriss der Maßnahmen zur Digitalisierung der Worteigenproduktionen der DW seit Projektbeginn im Jahr 1994. Wichtig war hierbei, durch die Beteiligung des Bereichs Archive-Bibliothek-Dokumentation von Anfang die Verknüpfung mit dem digitalen Audioarchiv sicherzustellen. Mit dem Umzug von Köln nach Bonn konnte im Jahr 2003 das volldigitale Funkhaus in Betrieb genommen werden. Der Vortrag wurde abgerundet durch die Präsentation des digitalen Workflows von der Produktion bis zur Dokumentation und der Recherche in der Archivdatenbank ADAMO, auf die etwa die Redaktionen via Intranet über eine einfache Rechercheoberfläche zugreifen können.

Harald Schütz, bei der Deutschen Welle für Projekte des Bereichs Archive-Bibliothek-Dokumentation verantwortlich, stellte in mehreren Beispielen die breite Palette der ABD-Hinweisdienste/Profildienste vor. Im Zugriff über das hauseigene Intranet sind aktuelle Themen („Präsidentschaftswahlen in den USA″) und prospektive Angebote, die Redaktionen bis zu drei Monate vor einem Gedenktag („Wir erinnern an ...″) darauf hinweisen und mit Tondokumenten, die per Mausklick ins Produktionssystem gestellt werden können, Presseartikeln oder der biografischen Verzweigung zum Munzinger-Archiv die Programmarbeit, Produktion und Sendevorbereitung unterstützen. „O-Töne des Monats″, ältere Hinweisdienste und eine Chronik der Deutschen Welle sind ebenso online verfügbar wie Hitlisten oder eine Musikuhr mit vielfältigen Such- und Verknüpfungsmöglichkeiten (z. B. Musikepochen, Stile, Besetzungen, Tempo) und Vorhöroption.

In einem Special zur Ausstellung im Foyer erläuterte Heinz-Peter Friedrich, Produktions- und Sendebetrieb der DW, in einer eindrucksvollen Präsentation im Livebetrieb Hintergründe und technische Zusammenhänge des Projekts „Digitale Kurzwelle (DRM)″, an dem weltweit 85 Unternehmen (Rundfunkanstalten, Mikrochiphersteller uvm.) beteiligt sind. Bei sinkender Akzeptanz analoger Lang-, Mittel- und Kurzwelle stellt DRM ein preisgünstiges, stereotaugliches Medium dar, das bei störungsfreiem Empfang ohne Schwankungen und Interferenzen nahezu UKW-Qualität erreicht. Den größten Anteil an den derzeit etwa 250 Sendestunden weltweit haben die Deutsche Welle, Campus-Radio und RTL.

Unter der Moderation von Kurt Deggeller beantworteten anschließend Programmverantwortliche der DW in Kurzreferaten die Frage: Die Deutsche Welle – mehr als ein Informationssender?

Über DW-TV – Das deutsche Auslandsfernsehen referierte Dr. Christian F. Trippe, Leiter DW-TV vom Hauptstadtstudio Berlin. Als „Nachrichten-, Informations- und Kulturprogramm aus der Mitte Europas″ sendet DW-TV via Satellit und Kabel rund um die Uhr an 210 Millionen Haushalte in aller Welt im stündlichen Wechsel der Sendesprachen Deutsch, Englisch und zusätzlich Spanisch. Außerdem werden täglich drei Stunden Programm arabisch untertitelt und 10 Minuten Weltnachrichten in den afghanischen Sprachen Dari und Pashtu ausgestrahlt. Programmauftrag ist die „Vermittlung deutscher und europäischer Kultur und Wertevorstellungen″ mit dem Ziel der „Förderung der internationalen Verständigung und europäischen Integration″.

Gérard Foussier, Leiter EU-Programme/EU-Projekte, stellte Das Europa-Konzept der Deutschen Welle vor. Ziel ist, unter DW-Federführung eine Zelle für Fremdsprachenprogramme als Gegenpol zur fortschreitenden Einstellung solcher Programme und Redaktionen in Europa zu schaffen. Innerhalb einer gemeinsamen Programmgestaltung mit europaweit orientierten Sendern in den Sprachen Englisch, Französisch und Deutsch beantwortet z. B. ein anlässlich der EU-Erweiterung ins Leben gerufenes Projekt „Gebrauchsanweisung Europa″ mit zwölf weiteren Anbietern sehr praxisnah etwa die Frage: „Was muss ich tun, wenn ich als Franzose in Tschechien studieren möchte?″

Zum Thema Fremdsprachenprogramme der Deutschen Welle – noch eine Stimme der Freiheit? sprach Ute Schaeffer, Leiterin des Ukrainischen Programms. 57 Millionen Hörer und Hörerinnen schalten regelmäßig die von 28 Redaktionen produzierten Fremdsprachenprogramme der DW ein. Diese wenden sich besonders an junge Menschen und vom freien Zugang abgeschnittene Hörer in zentralistischen Staaten. Vertriebsweg ist die „klassische Kurzwelle″ mit auf die Situation in der Region zugeschnittenen Sendungen des DW-Metropolenradios.

Das strategische Konzept von DW-World präsentierte Guido Baumhauer, Leiter DW-Online, in seinem Vortrag. „dw-world.de – eine Online-Welt in 30 Sprachen″ ist ein eigenständiges, natürlich auch im Inland verfügbares, interaktives Internet-Angebot insbesondere an junge Menschen. Die Bandbreite des Angebots umfasst „News, Analysen und Hintergründe″, Audio- und Video-on-demand für verpasste Sendungen, multimediale Deutschkurse, das mit dem Deutschen akademischen Austauschdienst (DAAD) gemeinsam gestaltete Portal zu Bildung und Forschung in Deutschland campus-germany.de, die „Typisch-Deutsch-Seite″ germanizer.com und z. B. den einzigen amharischen News-Service im Internet.

Den von Dr. Ingo Kolasa, Leiter des Deutschen Musikarchivs Berlin, moderierten Themenblock Sammeln im digitalen Zeitalter eröffnete Dietmar Schlumbohm, Leiter Digitale Distribution bei PhonoNet in Hamburg, mit seinem Referat Digitale Bemusterung. PhonoNet ist als „technischer Dienstleister für die Musikbranche″ seit Juni 2002 mit seinem Produkt „Musik Promotion Network (MPN)″ am Markt und bietet ein Informations-, Bestell- und Vertriebssystem an, das im Wege der Online-Bemusterung mit Audiofiles die gegenwärtige Bemusterung der Rundfunkanstalten und anderer Medienkunden mit Tonträgern künftig ersetzen soll. Zur Zeit sind 30 Label am Verfahren beteiligt. Die Ausdehnung auf Independent Labels ist in Vorbereitung.

Wolfgang Geisel, ebenfalls PhonoNet, zeichnete mit bewusst provozierenden Thesen Zukunftsszenarien zur Entwicklung des Tonträgersektors und der digitalen Vertriebswege. So beschrieb er u. a. den heute um sich greifenden Musik-Download als Kaufhaus, in dem die Ware nichts kostet, das dafür aber von einem sich ausdehnenden, stinkenden Güllegraben umgeben ist. Statt des Downloads im MP3-Format nimmt der technisch Arrivierte künftig via Festplattenrecorder das gesamte Programm auf (und dies sogar frei von Werbung und Doubletten). Das sogenannte „Saugen″ von Rundfunkprogrammen wird für private Rundfunkanbieter zur „Horrorvorstellung″. Da alle Welt kopiert statt Tonträger zu kaufen, wird nicht mehr produziert, weil die Produktionskosten nicht gedeckt werden können. In einer zwischen Phonoindustrie und Rundfunk vereinbarten Limitierung der Sendequalität könnte ein Anreiz geschaffen werden, Musik in technischer Spitzenqualität zu kaufen.

Die sich aus der digitalen Bemusterung bisher ergebenden Erfahrungen und Erwartungen aus der Sicht der Rundfunkarchive beleuchtete Felix Kresing-Wulf am Beispiel der Deutschen Welle. Zunächst stellte er kurz das Projekt DIGIBEMUS vor, dessen Ziel ist, die Distributionswege der digitalen Bemusterung zu verkürzen bzw. zu beschleunigen. Seine kritische Zwischenbilanz der MPN-Bemusterung bezog Kresing-Wulf vor allem auf die noch fehlende Vollständigkeit des Angebots, die zu bemängelnde Aussteuerung und den Schnitt der MPN-Files und die gegenwärtige Fehlerhaftigkeit der gelieferten Referenzdaten. In seinem Ausblick sah Kresing-Wulf besonders Diskussionsbedarf im Kreis der Archivleiter der Rundfunkanstalten über neue Formen der Zusammenarbeit und über ein sich veränderndes Berufsbild des Musikdokumentars – weg vom Input, hin zur Musikberatung.

Dr. Gisela Süle, Leiterin Dokumentation und Archive beim Westdeutschen Rundfunk, erläuterte Die „Konvention zum Schutz des audiovisuellen Kulturerbes" - eine Initiative des Europarats. Diese am 8. November 2001 vom Europarat verabschiedete Konvention zielt gleichermaßen auf die Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit von Archiven wie auf die Erhaltung des Kulturerbes. Zehn Länder haben die Konvention bisher unterzeichnet, ratifiziert wurde sie bisher nur von Litauen und Monaco. Auch in der Bundesrepublik Deutschland ist sie kein geltendes Recht, da der Rundfunk unter die Länderhoheit fällt. Am 9. August 2004 wurde seitens der Intendanten von ARD und ZDF ein modifizierter Entwurf, die sogenannte „Selbstverpflichtungserklärung″, veröffentlicht, der sich an die Ministerpräsidentenrunde der Bundesländer richtet.

In seinem daran anknüpfenden Referat Die Bedeutung des AV-Kulturerbes für die Rundfunkanstalten – Bewahrung und Zugang zu den Archivbeständen warnte Dr. Michael Harms, Hauptabteilungsleiter Dokumentation und Archive des Südwestrundfunks, davor, anzunehmen, mit der Selbstverpflichtungserklärung der Intendanten sei nun „alles in Ordnung und ein Rückfall nicht möglich″. Vor dem Hintergrund der Diskussion um eine Erhöhung der Rundfunkgebühren und der zur gleichen Zeit von der Kulturstaatsministerin geäußerten Befürwortung der Einbringung der „Archivschätze″ der Rundfunkanstalten in das Internet, um so die Archive für die Allgemeinheit zu öffnen, zeige sich der Zwiespalt zwischen den zur Öffnung gegenüber Öffentlichkeit und Forschung bereiten Archivaren und der im Unternehmensinteresse liegenden Verpflichtung zur archivarischen Behandlung des Materials und dem damit verbundenen Aufwand. Aus der Selbstverpflichtungserklärung ergeben sich künftige Aufgaben und Fragen, etwa nach dem eigenen Verhalten gegenüber „archivisch erübrigbarem″ Material (gerade auch angesichts des Fortschritts der Digitalisierung), oder wie dem bei der erforderlichen Herstellung einer stärkeren „anstaltsinternen Öffentlichkeit″ entstehenden Zeitverlust in Bezug auf archivische Kernaufgaben zu begegnen ist. Neue Ausbildungsgänge des Archivpersonals in Verbindung mit der Automatisierung von Dokumentationsleistungen und der Verlagerung technologischer Aufgaben in andere Bereiche der Häuser sind hier als Lösungswege zu sehen.

Das Rahmenprogramm bot zum Abschluss des Freitags eine Führung durch das Deutsche Museum Bonn mit seiner Direktorin Dr. Andrea Niehaus und ihren Mitarbeitern. Besonderes Highlight unter der Vielzahl bemerkenswerter Exponate der Technikgeschichte war das legendäre Mixtur-Trautonium, mit dem Oskar Sala seinerzeit den Soundtrack des Hitchcock-Streifens „Die Vögel″ gestaltete.

Nach der Mitgliederversammlung der IASA-Ländergruppe stand am Samstag der von Kurt Deggeller moderierte technik-orientierte Themenschwerpunkt Zwischen Schellack und Audiofile auf dem Programm. Die Referenten des ersten Teils widmeten sich der Frage: Wie lange lebt ein Tonträger, wie sicher ist ein Audiofile?

Franz Lechleitner vom Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien referierte über Sicherungsstrategien mit digitalen Zwischenträgern. Ausgehend vom Beispiel des Phonogrammarchivs Wien, wo „von einer zur nächsten Minute″ das Auslesen der Festplatten zur Speicherung von Audiomaterial unmöglich geworden war, plädierte er angesichts des hohen Aufwands zur Wiederherstellung als Lösung für kleinere Archive für eine Sicherung auf CD-R, dies allerdings mit strenger Fehlerbegrenzung und unter Einsatz professioneller CD-Brenner. Auch die verwendete CD-R sollte nur von Herstellern des Profibereichs genommen werden. Jede Aufnahme sollte mindestens zweimal am besten auf Träger verschiedener Hersteller kopiert und dabei nur mit WAV-Files bespielt werden. Selbstverständlich müssen die verschiedenen Exemplare räumlich getrennt und klimatisch einwandfrei aufbewahrt und regelmäßigen Tests auf mögliche Datenverluste hin unterzogen werden.

Dieter Kreisköther, Leiter der Systemtechnik Produktion beim Westdeutschen Rundfunk, behandelte unter dem Thema Ergebnisse und Erfahrungen der Tonträgertests im WDR im ersten Teil seines Referats den Zustand der analogen Rundfunkbänder im WDR-Archiv aus den Produktionsjahren 1950-70. Ab 1994 wurde das Material in Stichproben zu 50-100 Bändern pro Jahrgang gesichtet und in einer formalisierten Merkmalliste erfasst. Als beruhigendes Ergebnis trat zu Tage, dass nur sehr wenige Bänder (weit unter 1%) Schäden wie ausgetretene Kleber oder Wickeldeformierungen aufwiesen und alle Bänder restaurierbar waren. Als Voraussetzungen hierfür nannte Kreisköther das rechtzeitige Erkennen und richtige Zuordnen eines Problems und den Mut, Fachleute hinzu zu ziehen, die die fachmännisch richtigen Maßnahmen ergreifen. Im zweiten Teil seines Vortrags beschäftigte sich Kreisköther mit Konzepten und Realisierung der Qualitätssicherung von CD-R. Angesichts der großen qualitativen Streuung schon bei der fabrikneuen CD-R, der Verschlechterung durch Alterungsprozesse und des Fehlverhaltens bzw. der Veränderung von Abspielgeräten ist bei der Aufnahme die Verwendung von CD-Recordern und Medien aus derselben Epoche zu empfehlen. Das „Paradoxon Fehlerkorrektur" führt zur Wahrnehmungsverdeckung, wodurch keine Prognose für die einwandfreie Wiedergabe in naher oder ferner Zukunft möglich ist. Im WDR wurde der Qualitätssicherungsgedanke durch die Einführung eines Geräteparks eigens für Tests an festgelegten Prüfplätzen und die Vorgabe strenger Grenzwerte bei Fehlerraten umgesetzt. Jede CD-R, die ins Archiv geht, durchläuft eine vorherige Prüfung im Produktionsstudio.

In seinem Referat „Wie sicher ist der Massenspeicher?″ gab Siegbert Herla, Fachreferent Produktionssysteme Fernsehen beim Institut für Rundfunktechnik München, zunächst einen Überblick der technischen Entwicklung und der Rahmenbedingungen auf dem Weg vom konventionellen Tonträgerarchiv zum digitalen Massenspeicher-System in der IT-Welt. Nach Definition einer finanzierbaren Strategie zur Bestandssicherung, der Priorisierung und der Übertragung des „Content″ aus Essenz und Metadaten in das digitale Langzeitarchiv muss „nur" noch dafür gesorgt werden, dass die nun vom Träger getrennten und „als digitale Zahlenwerte vorliegenden Inhalte ... überleben können″. Dies setzt aber die genaue Gefährdungsanalyse eines Massenspeichers voraus. Diese muss die Betrachtung der Umgebungsbedingungen, die möglichen Auswirkungen von Bedienfehlern und die mögliche „Lebensdauer″ des Massenspeichers, d. h. die von IT-Zyklen unabhängige Rücklesefähigkeit einschließen. Als entscheidende Bewertungskriterien für Massenspeicher führte Herla auf: Kompatibilität zwischen verschiedenen Herstellern, aber auch innerhalb deren jeweiliger Angebotspalette, die Lebensdauer und Datensicherheit von Medien, Laufwerk und System, die Systemzuverlässigkeit, Zugriffszeiten und Datenraten, die Skalierbarkeit des Roboterarchivs, seine Integrierbarkeit in die Rundfunkumgebung und schließlich seine Finazierbarkeit und Wirtschaftlichkeit.

Der Ton muss überleben – über Restaurierung, Überspielung, Wiederhörbarmachung sprachen im zweiten Teil die drei folgenden Referenten.
In seinem zweiten Vortrag behandelte Franz Lechleitner Die Überspielung von Schellackplatten und gab sehr konkrete Empfehlungen aus seinem schier unerschöpflichen Erfahrungsschatz als Toningenieur auf dem Gebiet der historischen Tonträger. Im Ablauf des Überspielprozesses folgt auf die sachgerechte Reinigung und exakte Zentrierung der Platte die Wahl der geeigneten, möglichst gleichmäßigen Drehzahl, wobei allerdings durch Unregelmäßigkeiten des Motorlaufs beim einstigen Schneidvorgang Probleme auftreten können. Neben der Auswahl der richtigen Nadel ist die Wahl der richtigen Schneidkurven-Entzerrung entsprechend der zum Herstellungszeitpunkt gültigen Charakteristik von größter Bedeutung. Manchmal muss sich die bei der Überspielung eingesetzte Technik allerdings auf Näherungswerte einlassen, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen, weil die Schaffung der originalen technischen Gegebenheiten nicht möglich ist. So muss wegen des Vertikalschnitts bei Pathé-Platten notgedrungen ein Stereoabtaster verwendet werden.

Stephan Puille, Restaurator an der FH für Technik und Wirtschaft in Berlin mit dem Spezialgebiet der Auswertung von Quellen zur Geschichte der Tonaufzeichnung und Tonwiedergabe bis 1905, hielt ein spannendes Referat über Die Materialbestimmung von Emile Berliner Schallplatten (1890-1902) mit Hilfe der FTIR-Analyse. In der vorgestellten Versuchsreihe ging es darum, auf Grund der Ergebnisse genauer Materialbestimmung (unterstützt durch Kenntnis der damaligen Labeltypen) „eine chronologische Reihung der in Deutschland zwischen 1890 und 1897 unter dem Emile Berliner Patent hergestellten 5"-Schallplatten″ vorzuschlagen. Bei der FTIR-Spektrographie wird eine kleine Menge Probenmaterial aus dem Mittelloch der Schallplatte einer durch Erhitzen von Siliziumcarbid erzeugten Infrarotstrahlung ausgesetzt, die auf die Probe auftreffende Strahlungsintensität und der Intensitätsverlust beim Durchtritt gemessen und nach Durchlaufen eines komplizierten Verfahrens mit anderen in einer Datenbank gespeicherten Messungen verglichen. Die sichere Identifizierung des Materials findet auf molekularer Ebene statt. Im vorgestellten Beispiel ließ sich nachweisen, dass von 12 Platten aus den Sammlungen der Universitätsbibliothek Eichstätt und des Deutschen Museums München und zwei Referenzproben von 1896 und 1902 aus der Sammlung des Referenten insgesamt 11 aus Hartgummi gepresst sind, eine aus Celluloid besteht und bei den Vergleichsproben Schellack nachweisbar ist. Der praktische Nutzen der Analyse besteht in der Möglichkeit, Empfehlungen für Lagerung und Präsentation (z. B. Schutz der Hartgummiplatten vor UV-Strahlung, Vermeidung von Sauerstoffkontakt) und zur Datierung im Rahmen diskographischer Arbeit.

Neues von „VisualAudio – Tonrestaurierung via Bild″ berichtete Pio Pellizzari, Direktor der Schweizerischen Landesphonothek Lugano, in seinem online mit der Projekt-Website http://project.eia-fr.ch/visualaudio/ verbundenen Vortrag. Die Idee, Tonaufzeichnungen auf dem Wege hochauflösender Fotografie über lange Zeiträume aufzubewahren und jederzeit optimal extrahieren zu können, stand im Jahr 2000 am Anfang dieses Projekts, dessen technische Umsetzung in den Händen einer Gruppe von Wissenschaftlern und Ingenieuren um Prof. Ottar Johnsen an der Ecole d'ingenieurs et architectes de Fribourg (EIF) liegt. Ein Prototyp wurde erstmals im Herbst 2002 auf der Tagung der IASA-Ländergruppe in Lugano präsentiert. Das hinsichtlich der fotografischen wie der audiotechnischen Seite immer weiter verbesserte Verfahren bietet zum einen für die Archivierung den Vorteil einer schnelleren Konservierung des Ausgangsmaterials. Wo ein aufwändiges Digitalisierungs- und Tonbearbeitungsverfahren (noch) nicht verfügbar ist, kann zudem auf diesem Weg der gegenwärtige Zustand des Tonträgers erhalten werden, bevor eine weitere Verschlechterung eintritt. Insbesondere aber wird durch die berührungsfreie Aufnahme beispielsweise das Wiederhörbarmachen gesprungener Lackoberflächen von Platten möglich, die überhaupt nicht mehr mit einer Nadel abspielbar sind. Hörbeispiele im Online-Zugriff demonstrierten den beachtlichen Fortschritt von VisualAudio bis heute.

Das schon traditionelle, von Dr. Michael Crone moderierte Offene Forum für kürzere Beiträge eröffnete Jürgen-K. Mahrenholz vom Lautarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin mit seinem aus Zeitgründen vom Vortag an diesen Platz verlegten Referat Metadaten in multimedialen Datenbanken. Darin zeigte er Möglichkeiten zur Vernetzung von Datenbanken über die Zusammenführung von Metadaten auf und schlug den Bogen von seit jeher existierenden aber noch nicht diese Bezeichnung tragenden Informationen über Dokumente oder Quellen (Beispiel: Aufnahmejournal des Berliner Phonogrammarchivs) bis zu modernen Metadatenstandards wie DublinCore, XML oder MPEG7. Historischen wie modernen Formaten ist der Zweck gemein, die Auffindbarkeit und Nutzung von Dokumenten zu erleichtern, ihre Erschließung zu verbessern und einen strukturierten Zugang zu diesen Quellen zu schaffen. Vorteil der Vernetzung ist etwa, im Internet über sogenannte „Subject Gateways″ in einem großen Datenbankverbund recherchieren zu können, aber selbst nur einen vergleichsweise kleinen Teil davon pflegen zu müssen - dies auf der Basis festgelegter Standards, deren Umsetzung allerdings großenteils noch Zukunftsmusik ist.

Roman Sigg vom Phonogrammarchiv der Universität Zürich beleuchtete in seinem Beitrag Frühe deutsche Dialektaufnahmen: Ein Nebenprodukt deutscher Geschichte? ein dunkles Kapitel der Aufnahme und Erfassung unterschiedlicher deutscher Dialekte und Sprachinseln auf Tonträgern. Während aber in den ersten Jahrzehnten der Tonaufzeichnung solche Aufnahmen tatsächlich der sprachwissenschaftlichen Forschung dienten, ließen die nationalsozialistischen Machthaber zwischen 1940 und 1944 im Zuge der Besetzung Südtirols die Dialekte der dortigen deutschen Sprachinseln aufnehmen, um nachzuweisen, wo sich die „überlegene" Kultur der arischen Rasse überall verbreitet habe. Für die Herstellung dieser Aufnahmen war die als „Forschungsabteilung″ verharmloste SS-Organisation „Das Ahnenerbe″ zuständig, mit deren Namen Raubzüge und andere Verbrechen in besetzten Gebieten genauso verbunden sind wie grausame Menschenversuche an KZ-Häftlingen. Der nationalsozialistische Sprachforscher Bruno Schweizer behauptete, die von ihm veranlassten Südtiroler Aufnahmen des „zimbrischen Dialekts″ seien die letzten Reste des Langobardischen (obwohl diese Sprache in Oberitalien spätestens um das Jahr 1100 ausgestorben ist und „Zimbrisch″ erst etwa um 1200 oder 1300 nach Südtirol kam). Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und einjähriger Internierung hielt Schweizer 1948 einen Vortrag über „das Zimbrische″ in Zürich, wo er die beiden von Sigg im Phonogrammarchiv aufgefundenen Dezelith-Kopien der Originalbänder zurückließ.

Als letzter Referent dieser Tagung erzählte – gewürzt mit amüsanten Hörbeispielen – Jürg König, Privatsammler aus dem schweizerischen Pieterlen, in seiner schon von früheren Tagungen bekannten humorvollen Art über eine „kulturelle Kuriosität″: Prominenz zum Nulltarif. In den 1970er und 80er Jahren brachten namhafte Schallplattenfirmen und Zeitschriftenverlage gediegene Sammeleditionen mit sehr verschiedenen Programmen (von „Karajan dirigiert″ über Johnny Cash und Volksmusik bis zum Reader's Digest-Sprachkurs) heraus, die nicht im Laden erhältlich waren. Um auf diese nur im Versandhandel beziehbaren Produktionen aufmerksam zu machen, wurden umfangreiche Werbebriefe verschickt, denen Gratisschallfolien mit Hörproben beilagen, auf denen Prominente wie Peter Frankenfeld, Yehudi Menuhin, Heidi Brühl oder Hans Söhnker launige und gelegentlich kuriose Texte sprachen, die zum Erwerb der Edition anregen sollten. Des öfteren waren auch „Glückslose″ beigegeben, um die Kauflust weiter zu verstärken.

Zum Abschluss der Tagung dankte der Vorsitzende der IASA-Ländergruppe allen Referenten und Teilnehmern für zwei spannende, volle und für ihn sehr lehrreiche Tage „im Spagat zwischen analoger und digitaler Welt″. Crone erneuerte im Rückblick auf eine äußerst gelungene Konferenz seinen Dank an die überaus rührigen Gastgeber der Deutschen Welle und insbesondere den beständig für den perfekten Klang sorgenden Tontechniker, Herrn Zimmermann.

Frevelhaft wäre es natürlich gewesen, aus Bonn heimzureisen, ohne dem größten Sohn der Stadt zu huldigen. Von Prof. Dr. Andreas Eckhardt, dem Leiter des Beethoven-Hauses, begrüßt und in die Aufgaben, Angebote und Besonderheiten des Hauses eingeführt, erfuhren die Tagungsteilnehmer in einer eigens arrangierten Präsentation der beiden Projektleiterinnen Friederike Grigat und Marion Borowski viel Interessantes über das kurz vor der Eröffnung stehende Projekt „Das digitale Beethoven-Haus″. Eine eindrucksvolle Führung durch das Wohnhaus der Familie bis hin zu Ludwig van Beethovens Geburtszimmer unter dem Dach beschloss das Programm der Jahrestagung 2004.

Die nächste Jahrestagung der IASA-Ländergruppe Deutschland/Deutschschweiz e. V. wird auf Einladung der Ecole d'ingenieurs et architectes de Fribourg (EIF) am 4. und 5. November 2005 in Fribourg/Schweiz stattfinden. VisualAudio wird anlässlich seiner öffentlichen Präsentation in einer Reihe von theoretischen Beiträgen und praktischen Vorführungen den Tagungsschwerpunkt bilden. Die in diesem Zusammenhang wichtigen Fragen nach dem Ob und Wie der Aufbewahrung von Originalen in Theorie und Praxis werden in mehreren Vorträgen erörtert werden. Fester Bestandteil des Tagungsprogramms ist wie immer die Mitgliederversammlung. Der Versand der Einladungen und des Programms erfolgt Ende Juli 2005.

Detlef Humbert
Sekretär der IASA-Ländergruppe Deutschland/Deutschschweiz e. V.